Originalbild zum DSA-Roman Der Scharlatan, gezeichnet von Künstler Dieter Rottermund. Dieser DSA-Roman ist etwas ganz besonderes, da es das allererste Werk aus der großen nummerierten Reihe von DSA-Romanen ist. Viele weitere sollten ihm nach seiner Veröffentlichung im März 1995 nachfolgen und Aventurien mit ihren Geschichten lebendig machen. Allein im Heyne Verlag, wo die Reihe mit dem „Scharlatan“ ihren Anfang nahm, sind in der Zeit bis 2004 insgesamt 73 Bücher erschienen – die Sonderausgaben hier nicht einmal mitgezählt. In den etwa zehn Jahren vor 1995 waren Taschenbücher im Kosmos von Das Schwarze Auge kein großes Thema, bis 1995 gab es nur Das Eherne Schwert und Mond über Phexcaer.
Der Scharlatan ist nach seiner Kurzgeschichte Der Göttergleiche und Die Gabe der Amazonen Ulrich Kiesows dritter Roman. Er hat eine enge Verbindung zu seinem letzten Werk, dem Zerbrochen Rad, jenes Epos, welches er kurz vor seinem viel zu frühen Tod gerade noch vollendete. Der Kreis zu seiner letzten Geschichte schließt sich über den bunten und sympathischen kleinen Haufen Protagonisten, die gemeinsam die Abenteuer im „Scharlatan“ meistern und die später auch im „Zerbrochenen Rad“ eine Rolle spielen.
Die Protagonisten, von denen die Rede ist, das sind der Jahrmarktsmagier Gerion Eboreus Eberhelm Rottnagel, die Lanzerin Selissa von Jergenquell, ihr Verlobter Graf Arvid von Geestwindskoje und die Stallmagd Algunde. Das Abenteuer nimmt seinen Lauf, als Selissa Opfer einer Intrige und dabei des Hochverrats bezichtigt wird. Sie sei Teil eines Answinistischen Komplotts ihrer Familie zum Umsturz gegen den Koscher Fürsten. Urheber des finsteren Plans, dem auch Selissas Vater und Bruder zum Opfer fielen, ist Graf Erlan von Wengenholt, zusammen mit seiner Gehilfin Ismene Fanfemur. Gemeinsam stellt sich die bunte Heldenschar mit Schwert und Magie den dunklen Plänen des Grafen entgegen, um Selissas Ehre und Erbe wiederherzustellen.
Der Roman schreibt – anders als Das zerbrochene Rad – nicht große Aventurische Geschichte. Die Handlung ist mitten aus dem Aventurischen Leben gegriffen und von seiner Handlung her so bodenständig wie der Phantastische Realismus seiner Spielwelt insgesamt. Auch der Plot ist eher klassisch: eine durch das Schicksal zusammengewürfelte Gruppe macht Unrecht wieder zu Recht.
Seinen Charme bezieht die Geschichte aus der Darstellung der liebenswerten kleinen Heldengruppe und aus dem für Ulrich Kiesow so typischen schelmischen Witz und seiner immer wieder lesenswerten Wortgewandheit. Für Ulrich hatte einen großen Stellenwert auch die Plastizität der Lebenswelt, durch die man sich mit dem „Scharlatan“ das erste Mal in das Alltagsleben der normalen Aventurier hineinfühlen konnte. An dem Fokus auf den Menschen und seine Lebenswirklichkeit merkte man auch sicherlich seine Vorliebe für die russischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts und den mit ihnen verbundenen sogenannten russischen Realismus.
Zurück zum Bild: Das Motiv zeigt – mit großer Sicherheit – den „Scharlatan“ Gerion in seinem Reisewagen, davor sein Hund Gurvan. Gerion passiert mit seinem Gefährt das Tor zu einer Stadt – vielleicht Ferdok, wo ein Gutteil der Handlung spielt? Vom Kutschbock beugt sich Gerion zu einer Stadtwache herüber und präsentiert ihr auf seiner ausgestreckten rechten Hand eine magische Flamme: ein Illusionszauber oder die Interpretation eines Flim Flam. Das Bild ist mir – wie vermutlich den meisten – trotz seiner Einfachheit stark im Gedächtnis geblieben. Damals war das der für mich gefühlt erste richtige DSA-Roman, und ich hatte das Büchlein sicherlich ein halbes Dutzend Mal gelesen.
Das Originalbild hat die Maße 40 x 60 cm. Technik: Öl auf Karton.
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